GRUNDSÄTZE DER LEHRE
Die Liberal-Katholische Kirche zieht die Hauptinspiration ihrer Arbeit aus einem ernsthaften Glauben an den lebendigen Christus. Sie glaubt, dass die Vitalität einer Kirche wächst in dem Maße, wie ihre Mitglieder nicht nur einen Christus anbeten und verehren, der vor zweitausend Jahre lebte, sondern auch, indem sie danach strebt, in ihrem Leben den ewigen Christus zu festigen, von dem der heilige Johannes [Lazarus] spricht in Kapitel 8 Vers 58: „Vor Abraham war, bin ich.“ Er ist der Christus, der ewig lebt in mächtiger spiritueller Gegenwart in der Welt, um sein Volk zu leiten und zu unterstützen.
Die Liberal-Katholisch Kirche erkennt im buchstäblichen Sinn die herrliche Verheißung Christi, denn er sagt, als er auf der Erde weilte: „Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Vollendung der Zeiten“ (Matthäus 28:20).
Ein weiteres Versprechen gab er: „Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen“ (Matthäus 18:20).
Sie betrachtet diese Versprechen als Anerkennung und Validierung aller christlichen Anbetung oder Gottesdiensten, welcher Art auch immer, solange sie ernsthaft und wahr gemeint sind. Weiter gilt, dass, während die Verheißung der Präsenz mit einzelnen Gläubigen also Wirklichkeit ist, unser Herr auch bestimmte Riten und Sakramente eingesetzt hat, (die so genannten ‚Geheimnisse‘ in der Ostkirche), um für die größere Hilfe seines Volkes in seiner Kirche als Sonderkanäle seiner Kraft und Segen immer weiter gereicht zu werden. Durch diese „Gnadenmittel“ ist er immer gegenwärtig innerhalb seiner Kirche, was seinem Volk das wunderbare Privileg der Gemeinschaft mit ihm gibt, die alle führt und schützt – von der Geburt bis zum Tod.
DIE SAKRAMENTE UND DIE APOSTOLISCHE NACHFOLGE
Die Liberal-Katholische Kirche erkennt sieben grundlegende Sakramente: Taufe, Firmung, Eucharistie, Absolution, letzte Ölung (Sterbesakrament), Ehe und Weihen. Um ihre Wirksamkeit für den Gläubigen zu gewährleisten, hütet sie mit der größten Sorgfalt die korrekte Ausübung und Bedienung aller sakramentalen Riten.
Sie hat eine bischöfliche Nachfolge erhalten, die sog. apostolische Sukzessio‘, welche als gültig anerkannt wird in all jenen Kirchen der Christenheit, die die Apostolische Sukzession in den Weihen als ein Grundprinzip ihres Glaubens erhalten haben.
SCHRIFT UND TRADITION
Neben diesen ewigen sakramentalen Riten gaben die unmittelbaren Nachfolger Christi seiner Kirche ein Grundgerüst der christlichen Lehre und bestimmte Prinzipien der Ethik. Viel von diesen ursprünglichen Lehren des Christus sind ohne Zweifel verloren gegangen; ein Teil davon ist von den Ablagerungen der Zeiten verdeckt und nicht mehr für uns erkennbar. Was bleibt, ist ein unschätzbares Erbe, wert mit liebevoller Sorgfalt und Ehrfurcht bewacht und bewahrt zu werden.
Die Liberal-Katholische Kirche leitet aus diesen Traditionen bestimmte Prinzipien von Glauben und Verhalten ab, die sie als fundamental und wahr betrachtet, aber nicht als abgeschlossen und endlich. Sie sind eine zeitige Grundlage des rechten Verstehens und richtigem Verhaltens.
Bei der Formulierung dieser Körper von Lehre und Ethik nimmt die Liberal-Katholische Kirche unter den Kirchen der Christenheit in mancher Hinsicht einen unverwechselbaren Platz ein. In der christlichen Kirche haben immer unterschiedliche Denkschulen ihren Platz vertreten. Die mittelalterlichen Scholastiker, die die Theologie in der westlichen Kirche systematisierten, folgten dem Verfahren Aristoteles; aber die frühesten unter den Kirchenvätern waren philosophisch gebildete Platoniker. Die Liberal-Katholische Kirche, die nicht die Klarheit und Präzision der Scholastiker unterschätzt, hat aber mehr gemeinsam mit den platonischen und neuplatonischen Schulen christlicher Tradition. Hier gilt: eine Theologie kann sich selbst nur rechtfertigen und von permanentem Wert sein, insoweit sie teil hat am Charakter der gesamten göttlichen Weisheit.
Der Mensch, der im Wesentlichen göttlich ist, wird letztendlich die Gottheit erkennen, deren Leben er teilt. Und durch allmähliche Entfaltung der göttlichen Kräfte, die latent in ihm schlummern – während aufeinanderfolgenden Leben auf Erden – kann er im Wissen wachsen. Er kann das Universum beherrschen, welches in allen Teilen Ausdruck und Ausströmung dieses göttlichen Lebens ist. Die Methode der Annäherung an die göttliche Wahrheit ist sehr alt. Sie findet Fug und Recht in alten Schriften und tritt hervor im religiösen Denken des Ostens und des Westens. Sowohl Mystik also auch eklektische Philosophie sind unerlässliche Bestandteile der Religion. Auf diese Weise wird die Wahrheit erkannt in allem und in jeder universellen religiösen Erfahrung – wo immer sie zu finden ist, unabhängig unter welcher äußerlichen Form.
DER WEIBLICHE ASPEKT DER GÖTTLICKEIT
Die Liberal-Katholische Kirche erkennt und zahlt tiefen Respekt an den mütterlichen Aspekt der Göttlichkeit, die Mutter-Natur von Gott. Letztere wird betrachtet wie ein alldurchdringendes, unergründliches, göttliches Geheimnis. Sie gibt alles erschaffene Leben und nährt dasselbe. Ihr höchster Ausdruck ist die Weltmutter, wie sie dargestellt und vertreten wird durch die heilige Mutter Maria, deren zärtliche Sorge für alle Frauen und Kinder, und für alle die leiden den göttlichen Dienst unseres Herrn Jesus Christus ergänzt.
Dieses göttliche Prinzip wird immerfort auf der Erde gezeigt in der Heiligkeit des Lebens, in dem Geheimnis der Geburt und durch die Opferbereitschaft und Liebe der menschlichen Mutterschaft, welche unsere tiefste Ehrfurcht und Respekt hervorrufen.
EINHEIT ALLER RELIGIONEN
Die Liberal-Katholische Kirche glaubt, dass es eine Einrichtung der Lehre und mystischen Erfahrungen gibt, die für alle großen Religionen der Welt offen steht und nicht als exklusiver Besitz von irgendjemand oder irgendeiner Organisation betrachtet werden kann. Obwohl sie sich innerhalb des Christentums bewegt und sich selbst das Unterscheidungsmerkmal „christliche Kirche“ gibt, gilt für sie jedoch, dass die anderen großen Religionen der Welt auch göttlich inspiriert sind, und dass alle aus einer gemeinsamen Quelle hervorgehen, wenn auch einige Religionen unterschiedliche Aspekte der göttlichen Lehren mehr betonen und einige Aspekte möglicherweise auch vorübergehend ignorieren.
Diese Lehren, als Tatsachen in der Natur, ruhen auf ihren eigenen inneren Werten. Sie bilden den wahren katholischen Glauben, der deshalb katholisch ist, weil er der Ausdruck der universellen Prinzipien ist. St. Augus- tinus hat richtig gesagt: „Die gleiche Sache, die wir jetzt die christliche Religion nennen bestand bei den Alten und hat nicht aufgehört zu bestehen vom Beginn der menschlichen Rasse, bis zum Kommen Christi in das Fleisch, von dem Moment fing man an, die wahre Religion, die bereits bestand, „christlich“ zu nennen“ (Retract I. XIII, 3).
Und das gleiche Prinzip war in Wirklichkeit enthalten in der bekannten Erklärung des St. Vinzenz von Lerins:
„[5] In eben jener katholischen Kirche selbst ist mit größter Sorgfalt dafür zu sorgen, dass wir halten, was überall, was immer, was von allen geglaubt wurde. Denn das ist wirklich und wahrhaft katholisch, was, wie der Name und Grund der Sache erklären, alle insgesamt umfasst. [6] Aber diese Regel werden wir befolgen, wenn wir der Universalität, dem Alter, der Übereinstimmung folgen. Wir folgen aber demgemäß der Universalität, wenn wir bekennen, dass der eine Glaube wahr ist, den die gesamte Kirche in der ganzen Welt bekennt; dem Alter aber so, wenn wir in keiner Weise von den Meinungen abweichen, von denen feststeht, dass unsere heiligen Vorgänger und Väter sie vertreten haben; der Übereinstimmung, in gleicher Weise, wenn wir uns in jenem Altertum [gemeint ist die Zeit der Vorgänger und Väter] den Definitionen und Meinungen aller oder wenigstens fast aller Priester und Lehrer halten“.
ALTE WAHRHEITEN
Die Liberal-Katholischen Kirche hält fest an den Lehren der alten Völker, dass es drei Wahrheiten gibt, die absolut sind, und die nicht verloren gehen können, weil sie ewig sind in ihrer göttlichen Botschaft:
1. „Die Seele des Menschen ist unsterblich und ihre Zukunft ist eine Zukunft, deren Größe und Glanz keine Grenzen haben.“
2. „Das Prinzip, das Leben gibt, wohnt in uns und außerhalb von uns. Es ist unsterblich, und ewig wohltätig, nicht gesehen noch gehört oder gefühlt. Es wird aber vom Menschen wahrgenommen, der wahrhaft wünscht, es wahrzunehmen.“
3. „Jeder Mensch ist sein eigener absoluter Gesetzgeber, Spender von Freude und Glorie oder Traurigkeit und Dunkel zu sich selbst, der Bestimmer seines eigenen Lebens, seines Lohnes, seiner Strafe.“
Diese Wahrheiten, die so groß sind wie das Leben selbst, sind so einfach wie der einfachste Geist des Menschen. Speise den Hungrigen mit ihnen.